Das Ausgehmagazin "Züritipp" wird eingestellt, das Programmmagazin von "Deutschlandradio" gibt es nur noch online, die stadtzürcher Zeitungen der Lokalinfo wie "Zürich West" sind Geschichte, das Magazin "Die Umwelt" des Schweizer Bundesamtes für Umwelt wird nicht mehr gedruckt und die taz stellt ihre Printausgabe auf Oktober 2025 ein.
Bewahren wir mit Kauf und Abo diese weiter existierende Printmedien als kleine Auswahl an Empfehlungen:
"Lesart" ein engagiertes Literaturmagazin aus Rostock: https://www.lesart-literatur.de/
"Die Zeit", die beste Wochenzeitung aus Deutschland: https://www.zeit.de/index
"Falter", die beste Wochenzeitung aus Österreich: https://www.falter.at/
"P.S. Zeitung", eine engagierte linke Wochenzeitung in Zürich: https://www.pszeitung.ch/
"Volltext", ein großartiges Literaturmagazin aus Wien: https://volltext.net/
"Lettre", das beste Kulturmagazin Europas aus Berlin: https://www.lettre.de/
"50plus", das Magazin über Gesellschaft, Kultur und mehr: https://50plusmagazin.ch/
"Buchkultur", das schöne Buchmagazin aus Wien: https://www.buchkultur.net/
"Reportagen", das großartige Journalismus-Magazin: https://reportagen.com/
"Lesen", das literarische Kundenmagazin Orell Füssli Thalia Schweiz: https://www.orellfuessli.ch/services/lesen-magazin
"Ornis", das Magazin für Natur und Vögel von BirdLife Schweiz: https://www.birdlife.ch/de/content/zeitschrift-ornis
"Falke", das beste Magazin für Natur- und Vogelfreunde: https://www.falke-journal.de/das-magazin/
Und, richtig: Gedruckte Bücher in schönen Buchhandlungen. Hier drei Tipps:
Österreich: Buchhandlung Heyn in Klagenfurt: https://www.heyn.at/home
Schweiz: Buchhandlung Zum Geeren in Dielsdorf: https://www.zumgeeren.ch/
Deutschland: Buchhandlung +Buch in Stralsund: https://plus-buch.de/
Tja, liebe lesende Mitmenschen von Gedrucktem, es herrschen doch noch gute Zeiten, zumal, was das hier angeht.
Urs Heinz Aerni
Frau D. W. aus Luzern fuhr mit der Bahn. Als sie ausstieg, meldete ihr Handy, dass sie 10'000 Schritte gemacht habe. Sie staunte nicht schlecht, denn sie saß ja nur im Zug. Nicht in irgendeinem Zug, sondern im FV-Dosto. Genannt „Schüttelzug“, ein Fehleinkauf der SBB, für 1,9 Milliarden Franken, der nun laut K-Tipp für 250 Millionen nachgebessert werden muss. Die Fitness-Center könnten doch mit der Bahn zusammen ein neues Produkt anbieten; ein Abo, das auch für die Bahn gültig ist, denn wer macht nicht gerne Sport im Sitzen?
Diese Zeilen entstehen auf der Terrasse einer Ferienwohnung auf Teneriffa mit Gesängen von Samtkopfgrasmücken und Kanarengirlitze und bellenden Hunden aus dem Dorf. Aus bekannten und persönlichen Gründen tue ich mich schwer mit dem Fliegen und doch sitze ich hier im winterlichen Sommer. Einerseits für eine Recherche und ja, weil es schlicht wunderschön ist, hier unweit des höchsten Berges von Spanien, dem Teide.
Ein Inselkenner gibt auf einer Wanderung auf schwarzem Lavaboden Auskunft über die hiesige gesellschaftliche Entwicklung. Auch auf Teneriffa scheint der Massentourismus dergestalt zuzunehmen, dass Einheimische zu protestieren beginnen.
Riesige Hotels spriessen an den Küsten, der Energie- und Wasserbrauch nehme zu, die Verschmutzung des Meeres auch. Zuerst lockt das Geld, dann wird investiert und geworben und jetzt boomt das Feriengeschäft. Wie heißt es frei nach Goethe?: „Die ich rief, die Geister / Werd’ ich nun nicht los.“
Unser Domizil, das für Umweltverträglichkeit steht, liegt in einer Landschaft mit Einfamilienhäusern und Villen. Viele der Eigenheime sind neu gebaut oder frisch verputzt. Die Gärten gleichen Parkanlagen, die Steinböden geschrubbt, die Autos glänzen und Hunde warnen. Drum herum ist Brachland; steinig, Gebüsche, wilde Blumen, Gräser und altes Gehölz; eigentlich perfekt für die Artenvielfalt. Wenn da nicht überall Plastikflaschen, Dosen, Zigarettenpäckchen und ganze Autoteile herumlägen. Wie heißt es im englischen Sprichwort?: „My home is may castle“. Und dazu könnte man setzen: „Was geht mich die Welt da draußen an?“ Es scheint das Denkmuster zu sein, im Süden, nicht nur auf Teneriffa. Die Natur gehört uns allen, samt dem Müll, der sie zerstört. Warum demonstrieren nicht mal die Touristen auf den Ferieninseln? Mit Transparenten wie „Nicht wir Touris brachten den Dreck, der war schon vor uns hier.“ Oder so?
Urs Heinz Aerni
Lektüretipps:
Die bürgerlichen Parteien versprechen, viel zu tun für die Natur und Bundesrat Rösti verheißt im Radio, dass der Bundesrat mit "Augenmaß" sich für die Biodiversität einsetzt. Und immer wird die «Eigenversorgung» für ein Nein vorgeschoben, obwohl sich die Schweiz nie eigenversorgen kann, weder energietechnisch noch in der Ernährung.
Der Naturschutz auf Behördenebene funktioniert nicht. Warum verschwinden immer mehr Insekten? Wieso wird die rote und schwarze Liste mit bedrohten Arten stetig länger? Weshalb hat die Schweiz im Vergleich zu Europa den kleinsten Anteil an Naturschutzgebieten? Warum gerät die Zersiedelung und die Versiegelung des Mittellandes aus dem Ruder? Weil die Regierung, die Wirtschaft samt Bauernverband ihr Bestes für die Natur geben?
Biodiversitätsinitiative: Wie der Bauernverband und Bundesrat Albert Rösti die Stimmbevölkerung hinters Licht führen. Weiterlesen: Beitrag von Von Cornelia Eisenach und Priscilla Imboden
SRG will UKW auf Ende 2024 abschalten
Aus diesen Gründen ist das eine falsche Entscheidung zur falschen Zeit, in der SRG resp. SRF politisch unter Druck stehen:
Es lohnt sich, genau hinzuschauen, auf das Treiben rund um die Straßen. So wie vor ein paar Tagen auf der Fahrt zwischen zwei Dörfern im Schweizer Mittelland.
Gemeindeangstellte bearbeiteten eine Grün- und Schotterinsel. Wir fuhren aus Rücksicht etwas langsamer. Eine Szene überraschte uns. Ein Gemeindearbeiter besprühte Pflanzen, mit einem Vertilgungsmittel der chemischen Sorte.
Wir konnten es nicht fassen, dies in der Zeit, in der das Artensterben in aller Munde ist. Firmen verzichten zu Gunsten von Naturwiesen auf den Rasen, Kirchen berücksichtigen mehr einheimische Pflanzen auf den Friedhöfen, Bau- und Wohngenossenschaften gestalten ihre Umschwünge mit naturfreundlichen Strukturen u. a. mit Teichen und Totholz und immer mehr Private verzichten auf Neophyten, Schottergärten und auf das samstägliche Rasenmähen um bedrohte Pflanzen, Insekten und Vögel eine Überlebenschance zu geben.
Und was sehen wir da? Gemeindearbeiter sprühen Gift, das jeglichem Leben den Garaus macht. Was tun? Anhalten und ihn beschimpfen? Ich entschied mich zu einer offiziellen Anfrage bei der Gemeinde, höflich formuliert, denn vielleicht hätte es auch Wasser sein können oder sonst was Erlaubtes.
Ein halber Tag später nach der Anfrage rief mich der verantwortliche Gemeindearbeiter an. Ich lehnte mich zurück und dachte, jetzt kommt die große Rechtfertigungsrede. Das Gegenteil war der Fall. Er gab zu, eine Restmenge noch verbrauchen zu wollen. Er gab zu, dass dieser Entscheid ein Fehler war und er die Verantwortung auf sich nehme. Er gab zu, dass er ein Befürworter der Biodiversität sei und gegen ungewünschten Bewuchs nur mit Heißwasser und Feuer arbeite, Elemente der Natur.
Mit ehrlichen Worten sagte er mir, dass seine Entscheidung, das Gift noch zu verwenden, statt fachgerecht zu entsorgen ein völliger Fehlentscheid seinerseits gewesen sei.
Für diese Ehrlichkeit und Offenheit dankte ich ihm mit der Überzeugung, dass er nie mehr Gift in unsere Welt spritzen wird.
Die Lehre für uns?
Hm ... mit offenem Blick durch die Welt fahren und als mündiger Bürger kritisch nachzufragen statt gleich öffentlich anzuprangern? Vielleicht auch Respekt bezeugen, wenn ein Mensch ohne Wenn und Aber einen Fehler zugibt.
Urs Heinz Aerni
Der passende Buchtipp: „Wir können das! Fehler machen und zugeben“ Ein Kinderbuch zum Erlernen sozialer Kompetenzen von Christian Tielmann, Carlsen Verlag
Diese Kolumne erschien zuerst in der Zeitung „Reussbote“ (Schweiz)
Grüezi, Grüß Gott oder Hallöchen? Die Begegnung auf der Straße oder die Begrüßung zu Beginn eines Schreibens ist das eine. Aber wie verabschiedet man sich am besten am Schluss einer E-Mail? Hier herrschen ganz eigene Gesetze. Nirgends sonst in der Kommunikation wird dergestalt mit der Grusformel variiert wie im Mail-Verkehr.
Wenn die Presseabteilung eines Verlages mich als Kulturjournalist anfragt, ob ich ein Buch empfehlen möchte, wird «herzlich» gegrüßt. Die ungeschriebenen Grußgesetze zeigen den Aggregatszustand einer Beziehung an. Da war diese Kundin, mit der ich für ein Projekt zu tun hatte. Wir wechselten via Mail vom «Sie» zum «Du». Jede Mail in der Startphase schloss mit «Liebe Grüße» oder «Herzliche Grüße» oder gar nur mit «Herzlich».
Dann kamen die ersten Herausforderungen in Planung und Budget. Hier begannen die ersten unterschiedlichen Ansichten zum Vorschein zu kommen, also auch Meinungsunterschiede. Demgemäß schienen sich die Grußworte der Stimmungslage anzupassen. Vom «Herzlich» mutierte es sich herunter auf «Beste Grüße» und «Gruß». Wenn kalter Krieg herrscht, so liest man dann wieder «Freundliche Grüße». In einem Comics würden an den Sprechblasen Eiszapfen hängen. Wir hüpfen also heutzutage zwischen «Herzlichst», was ja schon eine Umarmung bedeutet, und dem Formellen, wo wir uns fast zwingen müssen, überhaupt zu grüßen.
Als die Verhandlungen mit der oben erwähnten Kundin sich wieder entspannten und es mit dem Projekt wieder vorwärts ging, erwärmte sich die Korrespondenz wieder von den „besten Grüßen“ über „sonnige Grüße über „liebe Grüße“ bis hin zurück zu „herzlichen Grüßen“.
Deshalb kann die bewusst gewählte Grußform ein Stimmungsbarometer über die Qualität der Beziehung sein. So misst der Empfänger das Betriebsklima und der Absender kann sie steuern. Darum sei empfohlen, in der Signatur auf eine automatisch definierte Grußformel zu verzichten. Denn wie liest sich das denn, wenn jemand herzlich grüßt und unten über der Absenderadresse nochmals „Freundliche Grüße“ steht?
Sie, liebe Lesenden werden sich fragen, wie ich mich hier aus der Kolumne verabschiede. Gute Frage. Da wir uns noch nicht so gut kennen, Sie und ich, versuche ich es mal mit „Hochachtungsvoll
Ihr Urs H. Aerni.
Der passende Buchtipp: «Duden Ratgeber - Briefe, E-Mails und Kurznachrichten gut und richtig schreiben» von Ingrid Stephan, Cornelsen Verlag.
Diese Kolumne erschien zum ersten Mal in der Zeitung "Reussbote" in Mellingen (Schweiz).
Haben Sie gewusst, dass die Schweiz im Vergleich zu allen anderen Ländern Europas am wenigsten in den Naturschutz investiert und den kleinsten Anteil zur Gesamtfläche als Naturschutzgebiet auszeichnet? Die Rendite scheint nach wie vor der wichtigste Wert für das Land zu sein.
Nun teilt die Deutsche Post mit, dass künftig auf die Brief-Transportflugzeuge im Inland verzichtet wird. Klar, einerseits auch aus Gründen der Kostensenkung aber auch um eine bessere Klimabilanz zu bekommen. Auf dem Landweg sinkt der CO2-Ausstoß pro Brief laut Unternehmen um 80 Prozent.
In der kleinen Schweiz hingegen will die Fluggesellschaft Swiss an den umstrittenen Inlandflügen zwischen Genf und Zürich festhalten. Eine Distanz, die mit dem Zug zwei Stunden und 55 Minuten dauert. Das betrifft auch die Strecke zwischen Zürich und Lugano, eine Zugsstrecke von zwei Stunden und 43 Minuten.
Und dann meint der Swiss-CEO Dieter Vranckx in einem Interview: "Wenn irgendwann Elektroflugzeuge verfügbar sind, wäre das eine attraktive Strecke..." Statt jetzt Verantwortung zu übernehmen, lautet das Motto des Swiss-Chefs: Weiter Geld verdienen auf Kosten der Umwelt und abwarten, was die Technik so liefern wird. Und übrigens, der CEO tritt im Juli ab!
Es scheint, dass diese Entscheidung ein Dankeschön an die Bevölkerung ist, die für die Pistenverlängerung in Zürich zustimmte.
Am 22. September 2024 wird die Schweizer Bevölkerung wieder abstimmen können. Ob sie diesmal für eine Zukunft unserer Natur und Landschaft eintritt?
Urs H. Aerni
Links zu weiteren Infos:
Biodiversitätsinitiative: https://www.biodiversitaetsinitiative.ch
Bericht zu den Inlandflügen der Swiss: https://www.srf.ch/news/wirtschaft/trotz-kritik-swiss-will-weiter-zwischen-zuerich-und-genf-fliegen
Bericht zur Einstellung der Briefflugfracht der Deutschen Post: https://www.dw.com/de/deutsche-post-keine-flugzeuge-mehr-f%C3%BCr-briefe/a-68698856
Die NZZ blickt kritisch hinter das Netzwerk Correctiv. Aber wie steht es mit der Eigenkritik?
In der Neuen Zürcher Zeitung vom 10. Februar sind mehrere Texte zu finden, die sich mit dem bundesweiten Protest für Demokratie und gegen AfD beschäftigen. Ein Untertitel lautet in der Zeitung so: «Angebliche Deportationspläne treiben Millionen auf die Straße». Es gehört zum kritischen und guten Ton, sich nicht ganz sicher zu sein, ob über solche Pläne gesprochen wurde. Der Artikel des Recherchenetzwerk Correctiv vom 10. Januar 2024, dass in Potsdam ein Treffen stattfand an dem AfD-Politiker, Neonazis und Unternehmer Pläne für «die Vertreibung von Millionen Menschen aus Deutschland» geschmiedet haben sollten, treibt abertausende Menschen auf die Strassen um für eine freie Demokratie zu appellieren. Sogar am Karnevalsfest «Mainz bleibt Mainz» kriegt die AfD ihr Fett weg, mit Standing Ovation.
Geld und Haltung
Zurück zur NZZ. In der besagten Ausgabe sind kritische Töne gegenüber dem Netzwerk Correctiv zu lesen unter dem Titel «Eine Recherche verselbstständigt sich». Die AfD versucht die Glaubwürdigkeit von Correctiv zu schwächen, mit dem Hinweis der Art und Weise der Finanzierung. Die NZZ zählt Beträge auf, die u. a. aus der Landeshauptkasse Nordrhein-Westfalen aufs Konto von Correctiv flossen. Sie zitiert aber auch die Mitteilung, dass öffentliche Gelder nicht die redaktionelle Arbeit von Correctiv finanzierten, sondern in eine «Tochtergesellschaft des gemeinnützig organisierten Mediums» gelangen.
Die NZZ, genauer Oliver Maksan aus Berlin, erwähnt im kritischen Ton, dass Correctiv laufend via Ticker von den Massenprotesten mit jeweiligen Teilnehmerzahlen berichten und setzt das Fazit: «Der Weg vom Journalismus zum Aktivismus ist bei Correctiv kurz».
Mit anderen Worten, die NZZ misstraut der Berichterstattung des Correctivs. Warum? Weil Gelder aus der öffentlichen Hand fliessen, das Umfeld für eine politische Haltung steht und weil ein ehemaliger Journalist der «Welt» 2016 einer AfD-Politikerin eine Torte ins Gesicht drückte und heute für das Netzwerk arbeitet.
Kritik aus dem Glashaus
Es ist wichtig und richtig, die Qualität von Journalistischen Medien – egal welcher Couleur – kritisch zu hinterfragen, in Qualität und Stil. Wie die NZZ mit ähnlichen Fragen an ihrer Arbeit umgeht, darf ruhig auch mal zum Thema werden.
Am 9. Oktober 2023 erschien von Markus Schär in der NZZ ein Text mit dem Titel «Das Schweizer Fernsehen schürt seit 35 Jahren Klimapanik – oft wider die Wissenschaft und gerne auch vor den Wahlen». Das Ganze stand unter der Rubrik «Medienkritik» aber es war ein Angriff der weltanschaulichen Art. Kritische Reaktionen und Leserbriefe, die geschickt wurden, konnten nicht gefunden werden. Der neue Chef-Redakteur der NZZ am Sonntag freute sich in einem Editorial, dass ein «echter Liberaler» für die Mitarbeit gewonnen werden konnte. Ressorts für Debatten und Meinungen wurden ausgebaut. Ja, es ist bekannt, dass die NZZ ein Blatt des Freisinns ist und ja, es ist Tradition, dass die NZZ vor allen Abstimmungen regelmässig offiziell Empfehlungen der Leserschaft abgibt, so auch in der Ausgabe des 10. Februars. Zum Beispiel lehnt die NZZ die «Mythenpark-Initiative» ab und befürwortet die Pistenverlängerung des Flughafens Zürichs. Nur, sehen das alle Mitarbeitende so? Wer bestimmt eigentlich die politischen Empfehlungen der Zeitung?
Medienkompetenz
Wie ist «Aktivismus» zu definieren? Wie darf politische Meinung dergestalt medial verpackt werden, dass es noch unter «Qualitätsjournalismus» laufen darf?
Unter den Richtlinien für «Publizistische Grundsätze» des Deutschen Presserats ist folgendes zu lesen: «Die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit sind oberste Gebote der Presse. Jede in der Presse tätige Person wahrt auf dieser Grundlage das Ansehen und die Glaubwürdigkeit der Medien.»
Wie sich die Medienlandschaft weiter entwickeln wird, wissen wir nicht. Das gilt auch für den Berufsstand für Medienschaffende und Publizierende. Aber eines wissen wir, dass die Bildung und Sensibilisierung der Medienkompetenz für uns alle immer wichtiger wird.
Abgesehen von was allem, was in diesem Hinterzimmer in Potsdam besprochen wurde, darf auch etwas Zuversicht aufkommen angesichts der vielen Menschen, die sich öffentlich für eine freiheitliche Demokratie bekennen. Oder?
Urs Heinz Aerni
Das zahlreiche Publikum habe das Team der Literaturtage Zofingen eigentlich überrascht, denn man habe gedacht, dass eher große Länder wie Spanien (2022) oder Italien (2024) für volle Säle garantieren. Irrtum. Das kleine Gastland Slowenien lockte pro Veranstaltung durchschnittlich 60 – 80 Menschen in das Kulturhaus West.
Woran liegt das? „Als wir uns intensiv mit der Kultur und der Literatur von Slowenien zu beschäftigen begannen,“ so Programmleiterin Julia Knapp, „wurde uns sehr schnell klar, wie reich an Themen, Geschichten und Kultur das Land zwischen Osten und Westen ist.“
Slowenien in der Reportage und der Poesie
Schon am ersten Programmpunkt am Samstagvormittag konnten der Schriftsteller Aleš Šteger und der Journalist Helmut Luther vor vollen Reihen über ihr Verhältnis zu Slowenien und zu ihren Büchern Auskunft geben. Der mit liebevoller und kritischer Ironie, der andere mit Reportagen in die Tiefen der Kulturgeschichte. Auf den kritischen Blick angesprochen sagte Luther lächelnd: „Einem Deppen bin ich begegnet -aber nur einem!“ Šteger schrieb sein Buch über sein Heimatland auf Deutsch und stellte fest, wie „all die Sachen, die man in der eigenen Sprache als intakt empfindet, durch den Blick einer anderen Sprache zu zerbröseln beginnen…“
Die beiden Anthologie-Herausgeber Aleš Šteger und Roger Perret teilen ihre Leidenschaft für die Literaturdisziplin Lyrik. Perret hielt fest, dass drei von vier Autoren, die das Fundament der modernen Schweizer Lyrik bilden, für „verrückt“ erklärt wurden. Šteger zeigt sich davon überzeugt, wie Lyrik und Sprache unseren Umgang mit der Welt „immens beeinflussen“ kann und schliesst pointiert: „Lyrik schreiben, muss nicht sein, aber Lyrik lesen!“ Die Lesekunst von Hanspeter Müller-Drossaart ließ gedruckte Poesie wieder bunte Blüten treiben.
Facetten der Liebe, Drogen und Einsamkeit
Zur Liebe meinte Ana Schnabl, die Autorin des Romans „Meisterwerk“: „Liebesbeziehungen sind eine Art von Demenz.“ Und sie sieht einen bedenkenswerten Trend in unserer Gesellschaft: „Die Gesellschaft erlaubt Menschen nicht, sich zu ändern – wir sind zynisch und misstrauisch geworden gegenüber Menschen, die sich wirklich verändern wollen.“ Die von Yvonne Oesch sehr gut vorgelesenen Passagen liess das Publikum im Anschluss zum Büchertisch eilen.
Die Einsamkeit hat für Ana Marwan eine wichtige Bedeutung und es sei schade, dass im Deutschen es nicht mehr Wörter dafür gebe, da es viele Arten von Einsamkeit gebe. Ihre gesammelte Erfahrung durch die Arbeit in einem Ministerium im Bereich Psychologie führte sie zur Überlegung, dass zwischenmenschliche Erwartungen auch auf eine „schöne Art enttäuscht“ werden können.
Zwischen den Lesepassagen, die das Publikum sichtlich unterhielt, scheint sie laut nachzudenken über uns und das Leben und warum wir ohne Grenzen verloren wären: „Die totale Freiheit empfinde ich persönlich als lähmend. Die Grenze ist interessant, weil wir sie übertreten können.“ Und warum sie die deutsche Sprache freier findet, als die slowenische, bräuchte eine weitere Veranstaltung dazu.
Wenn Geschichten die Welt erreichen
Im Übersetzerforum mit Jerneia Jezernik, Erwin Köstler, Karl Rühmann und Zorka Ciklaminy unter der Moderation Christina Caprez erfuhr das konzentriert zuhörende Publikum, wie es glückliche Zufälle für ein Buch braucht, das übersetzt werden kann oder wie wichtig die Übersetzungsarbeit ist, um Menschen mit Geschichten zu erreichen und dass dieses Motto für ihre Arbeit zählt: „Wir übersetzen nicht den Inhalt – wir übersetzen die Wirkung“ so Karl Rühmann.
Zwei Verlage veröffentlichen neu die Werke von Alma M. Karlin (1889 – 1950), der um die Welt gereisten Journalistin aus der slowenischen Provinz. Jerneja Jezernik widmet ihr eine Biografie und Marijan Pušavec und Jakob Klemenčič, eine Graphic Novel. Auf die Frage der Moderatorin Rebekka Salm warum es so lange ruhig war um die Autorin, erklärte Jezernik: „Alma ging vergessen, weil die Deutsche Sprache und Kultur noch lange nach dem Krieg in Slowenien mit dem Nationalsozialismus gleichgesetzt wurde, denn sie war eine deutschsprachige Autorin“. Das Podium ermöglichte einen Einblick in ein Leben einer Frau, die sich in ihrer Haut und auf dieser Welt nicht wohl fühlte und mit 100 Dollar und 100 Deutsche Mark auf eine Weltreise ging. „Auf dem Meer bin ich eine Kommunistin“ schrieb Alma M. Karlin. Eine Annemarie Schwarzenbach aus Slowenien. Ariela Sarbacher verstand es, die Passagen in treffend in der zur Karlins Welt passenden Tonalität vorzutragen.
Eine andere Reise hat Nataša Kramberger hinter sich, die noch nicht zu Ende ist. Davon erzählt in ihrem Roman „Verfluchte Misteln“ und auf der Bühne dem Publikum und der Gesprächspartnerin Monika Schärer. Tausende von jungen Menschen ziehen in die Städte, doch die Autorin kehrt in ihr Heimatort um eine biodynamischen Bauernhof zu reaktivieren. „Bei der Arbeit in der Natur muss man sehr viel zuhören“ so Kramberger und machte das Publikum nachdenklich als sie sagte: „Es gab mal einen Schmetterling oder einen Vogel auf der Feldarbeit, vor fünf oder zehn Jahren. Jetzt gibt es das nicht mehr. Man muss sich fragen: Was bedeutet das?“
Kleines sauberes Land zwischen Krieg und Liebe
„Warum ist Slowenien so sauber? Na, da kommt wöchentlich eine Frau und räumt auf.“ Geschichten wie diese zum kleinen Land von Karl Rühmann umranken die gesellschaftlichen und politischen Analysen zusammen mit Samira Kentrić, Karl Rühmann, Enver Robelli und Ciryill Stieger im Gespräch mit Christina Caprez. Angesprochen wurde das Verschwinden von 25’000 Menschen aus den Bürger-Registern mit all ihren Rechten, die Tiefflüge der Serbischen Luftwaffe am Unabhängigkeitstag 1991 aber auch die Gründe, wie die Kleinheit des Landes sowie der liberale Sozialismus im Vergleich zu anderen ehemaligen Ostblockstaaten mit einer lebendigeren Zivilgesellschaft einen blutigen Bürgerkrieg verhinderten.
Nicht besser hätte der Abschluss sein können mit dem Gespräch zwischen dem Schriftsteller Drago Jančar und Esther Schneider und den dergestalt stark vorgetragenen Lesepassagen durch Thomas Sarbacher, so dass der Schriftsteller den Schauspieler dafür umarmt und sagt: „Die Lesung war viel besser als das, was ich geschrieben habe.“ So rundet diese letzte Veranstaltung die Tatsache ab, dass alles Menschliche in der Literatur wiederspiegelt wird, denn wie sagt Jančar: „Liebe, Verrat, Hass und Liebe sind Themen, die nicht für die alten Griechen reserviert sind.“
Die Abschluss- und Abschiedsworte der Präsidentin des Vereins Sabine Schirle und der Programmleiterin Julia Knapp wurden mit einem letzten aber langen Applaus quittiert. 2024 kommt Italien nach Zofingen.
Urs Heinz Aerni
Mehr und Bilder dazu: www.literaturtagezofingen.ch